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Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet

Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik

Erschienen am 15.08.2014, Auflage: 1/2014
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593500300
Sprache: Deutsch
Umfang: 211 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 21.5 x 13.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Trockenobst ist giftig, Fast Food macht depressiv, Choleragefahr nimmt rasant zu, Polen sind fleißiger als Deutsche: Mit solch dramatischen Meldungen auf höchst fragwürdiger Datenbasis lassen wir uns täglich nur allzu gern aufstören. Der Psychologe Gerd Gigerenzer, der Ökonom Thomas Bauer und der Statistiker Walter Krämer diagnostizieren uns eine Art Analphabetismus im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten und Risiken und haben darauf mit der Ernennung der »Unstatistik des Monats« (www.unstatistik.de) reagiert. Anhand haarsträubender Beispiele aus dem Reich der Statistik erklären sie, wie wir Humbug durchschauen, zwischen echter Information und Panikmache unterscheiden und die Welt wieder sehen, wie sie tatsächlich ist.

Autorenportrait

Ökonom, ist Professor für Empirische Wirtschaftsforschung in Bochum und Vizepräsident des RWI in Essen. Gerd Gigerenzer, Psychologe, ist Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz, Universität Potsdam, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Bestsellerautor. Walter Krämer, Statistiker, ist emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der TU Dortmund und Autor verschiedener Bestseller.

Leseprobe

Vorwort Wie wird ein Historiker des Jahres 3000 wohl die Zeit beschreiben, in der wir heute leben? Möglicherweise so: Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erlangte Homo sapiens Zugang zu mehr Information als je zuvor. Die digitale Revolution hatte Milliarden von Menschen vernetzt. Schneller als mit der Morgenzeitung und der abendlichen Nachrichtensendung konnte man nun jederzeit Meinungen und Reportagen global abrufen. Mit dem wachsenden Internet dehnte sich damals Information in bislang ungeahnten Dimensionen aus, vergleichbar mit der rasanten Ausdehnung von Materie nach dem Urknall. Damit schien die jahrhundertelange Revolution für die Freiheit des Individuums, die mit der Erfindung der Schrift und des Buchdrucks begann, abgeschlossen zu sein. Jeder hatte nun Zugang zu jeder Information. Kein Staat, kein Herrscher konnte das Netz mehr verbieten, und die neue Welt der digitalen Megakonzerne stellte jedem alles Wissen zur Verfügung. Jeder war mit jedem vernetzt, und man konnte eine Million Einträge über Gesundheit und Geld in einer Zehntelsekunde abrufen. Die Menschheit hatte den Traum der Aufklärung nun endgültig verwirklicht - so dachte man. Doch eines war vergessen worden: Viele verstanden gar nicht, was die Information bedeutete, zu der sie freien Zugang hatten. Oder sie bemerkten nicht einmal, wie Zahlen und Worte verdreht und ihre Ängste und Hoffnungen ferngesteuert wurden. Man hatte die Technologie perfektioniert, dabei allerdings außer Acht gelassen, die Menschen gleichzeitig so kompetent zu machen, dass sie all diese Fakten und Zahlen auch verstehen konnten. So ungefähr könnte das entsprechende Kapitel in einem Lernmodul für Mittelschüler im Jahr 3000 aussehen. Das wird dann natürlich nicht mehr aktiv gelesen, sondern den Eleven sachte elektronisch ins Langzeitgedächtnis eingescannt. Und es folgt noch ein Zusatz, etwa so: Glücklicherweise gab es damals Bücher - so wurden die im galaktischen Zentralmuseum ausgestellten zusammengehefteten papierenen Blätter genannt -, in denen erklärt wurde, wie man mit Information denkt - statt sie nur zu lesen oder aufzunehmen. Heute lernt natürlich jedes Kind schon in der Schule, kritisch zu denken, und kann daher mit Risiken und Ungewissheiten umgehen, statt sie fürchten zu müssen. Doch am Anfang des 21. Jahrhunderts sieht es noch ganz anders aus: Die breit verfügbaren Informationen werden in den meisten Fällen nicht kritisch hinterfragt. Als Bildungsforscher, Statistiker und Hochschullehrer sind wir täglich mit dieser Diskrepanz zwischen hoch entwickelter Technologie und dem wenig entwickelten Verständnis derselben konfrontiert. Nur die Allerwenigsten scheinen zu wissen, wie man mit Informationen sinnvoll umgeht, und da wollten wir nicht tatenlos danebenstehen. Angefangen hat unser aufklärerisches Projekt, das schließlich dieses Buch hervorgebracht hat, damit, dass - am Abend einer Konferenz - Thomas Bauer seinen Freund Walter Krämer beiseite nahm und eher scherzhaft auf die Flut von Statistiken ansprach: "Wieso gibt es eigentlich hinter jeder Hecke einen Umsatzrekord des Tages, einen Mitarbeiter der Woche oder ein Auto des Jahres?", mokierte er sich, "mit diesen Statistiken wird so viel Unfug produziert, da braucht es doch einen Kontrapunkt". Und die Antwort auf dieses Defizit lieferte er gleich mit: "Warum ziehen wir nicht mit der gleichen Regelmäßigkeit vor einer dieser Desinformationen den Unschuldsschleier weg?" Diese Projektidee keimte in den Köpfen der beiden einige Monate vor sich hin, bis Walter Krämer seinem Koautor Gerd Gigerenzer davon erzählte, mit dem er sich vor Jahren über den Sinn und Unsinn von bedingten Wahrscheinlichkeiten ausgelassen hatte.1 Und auch Gerd Gigerenzer hielt dies für eine gute Idee. Und so küren wir drei seit einigen Jahren in schöner Regelmäßigkeit die Unstatistik des Monats (nachzulesen auf www.unstatistik.de; Interessenten können sich gerne auf den Verteiler unserer Pressemitteilungen setzen lassen). Alle bisherigen Gewinnerstatistiken, auch viele Zweit- und Drittplatzierte, werden in diesem Buch auf den folgenden Seiten vorgestellt, zusammen mit weiteren potenziellen Siegern aus Zukunft und Vergangenheit. Denn statistisches Unkraut wuchert überall, ob im Fernsehen, in den Zeitungen oder im Internet. Anders aber als bei Arzneimitteln fehlt hier ein gesetzlich vorgeschriebener Beipackzettel, der vor den Risiken einer Fehlanwendung warnt. Dieses Buch ist quasi als ein solcher Beipackzettel zu verstehen, als "Rote Liste" für Statistiken. Anhand zahlreicher Beispiele aus den Medien führen wir die Nebenwirkungen falsch angewandter Statistiken vor. Denn diese Nebenwirkungen können dramatische Auswirkungen haben. Die Illusion der Gewissheit - zum Beispiel der Glaube, dass medizinische Testergebnisse absolut sicher sind (obgleich das nicht der Fall ist) - hat beispielsweise zu unnötigen Selbstmorden nach HIV-Tests geführt; die Angstmache bezüglich Thromboserisiken bei Antibabypillen hat Tausende unerwünschte Schwangerschaften und Abtreibungen hervorgebracht. Wie wir sehen werden, wurden Menschen vor Gericht verurteilt, weil Richter und "Experten" Wahrscheinlichkeiten durcheinanderwarfen, und manch einer lässt sich täglich durch Nachrichten über krebserzeugende Stoffe in Preiselbeeren oder Schokolade verängstigen - obgleich es kaum etwas zu essen gibt, das nicht Dutzende solcher Stoffe in sich hätte, natürlich oder künstlich. Es wird oft behauptet, unser Gehirn sei unfähig, Risiken und Wahrscheinlichkeiten zu verstehen. Und infolgedessen rät man dazu, die Bürger von wichtigen Entscheidungen fernzuhalten, da sie die Risiken nicht richtig einschätzen könnten. Versammelt die Experten, schließt die Türen und sagt den Menschen dann, was sie tun sollen. Doch ein solcher Paternalismus entspricht nicht unserem Denken und unserer Sicht, sonst bräuchten wir dieses Buch nicht zu schreiben. Die weit verbreiteten Probleme im Umgang mit Risiken haben unserer Ansicht nach ganz andere Gründe: Erstens lernen unsere Kinder in der Schule immer noch vorwiegend die Mathematik der Sicherheit (wie Algebra, Geometrie) und eher weniger über die Mathematik der Unsicherheit, wie statistisches Denken. Wenn wir Kindern das Lesen und Schreiben nicht beibringen würden, dann bräuchten wir uns auch nicht zu wundern, wenn sie es später nicht können. Daher: Wir müssen die Lehrinhalte der Schule revolutionieren. Zweitens wird Information in den Medien oft irreführend vermittelt. Wenn wir nicht gelernt haben, dies zu erkennen, sind wir mit unseren Ängsten und Hoffnungen nur allzu leicht manipulierbar. Drittens vollzieht unser Gehirn Schnellschüsse, die in der Menschheitsgeschichte dem Überleben dienten, aber heute nicht immer nützlich sind. Das Mustersuchen im Kaffeesatz, das überstürzte Schließen von MiniStichproben auf große Grundgesamtheiten, das Ziehen schneller, aber zuweilen ungeeigneter Vergleiche und das Überbetonen extremer Ereignisse gehören dazu. Und so rennen wir in der Wirtschafts-, Gesundheits- und Sozialpolitik, vor Gericht und beim Arzt allen möglichen Zahlenchimären hinterher, werfen Datenmanipulatoren unser Geld vor die Füße, erheben falsche Helden auf Ehrenplätze, versuchen verzweifelt, unerreichbare Ziele anzusteuern, senden unschuldige Menschen wegen falsch verstandener Indizien ins Gefängnis, verschwenden knappe Ressourcen für aufgeblasene Kinkerlitzchen, lassen uns im Alltag von Minigefahren ins Bockshorn jagen und laufen den wirklichen Gefahren für Leib und Leben willig in die Arme. Und das alles, weil wir nicht gelernt haben, die Zahlen richtig zu verstehen, oder weil wir die Zahlen nicht verstehen wollen. Mit dieser Einsicht beginnt zugleich die Therapie. Vielleicht sollten wir einfach mal aufhören, auf unser Unvermögen im Umgang mit Zahlen und Fakten auch noch stolz zu sein. Und den Mut haben, unsere Welt nicht so zu sehen, wie wir sie gerne hätten, sondern wie sie wirklich ist. So mancher Produzent der nachfolgend vorgestellten Unstatistiken nutzt die ...

Schlagzeile

Durchblick in einer Welt voller Unstatistiken

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